QUOBO und The Word Company
Interview
Harald Fricke: Wann wurde The Word Company gegründet?
Adib Fricke: The Word Company entstand 1994. Ich hatte ursprünglich für eine Galerieausstellung ein ganz anderes Projekt vorgeschlagen, dann aber schnell gemerkt, daß ich dieses nicht wirklich machen wollte. Viel lieber wollte ich Wörter ohne Bedeutung in die Galerie bringen und dazu Geschäftsbedingungen, die den Handel mit Wörtern regeln – das schien mir ausreichend. Ich habe das Ausstellungskonzept geändert und in der Galerie Anselm Dreher in Berlin die ersten vier Protonyme ausgestellt.
H.F.: Vorher hattest Du bereits mit Versatzstücken aus Sprache und der dazugehörigen Grammatik gearbeitet. Wie kam es zum Übergang von Sprache als Kommunikationsmittel zu Sprache als Produkt?
A.F.: Es geht mir um Wörter. Früher war ich noch stärker an Sprache interessiert. Dabei ging ich jedoch von einem Bildbegriff aus, zum Beispiel in Form von »Textbildern« . Andererseits habe ich Zufallsprogramme entwickelt, die Textstücke mischen und dadurch die Inhaltsbildung ins Absurde führen konnten. Mit The Word Company kam für mich ein entscheidender Bruch, weg vom Text hin zum Wort. Allerdings waren Formen davon, der Umgang mit einer »kommerzialisierten Sprache«, schon 1988 vorhanden, etwa in der Arbeit AdibProp, einem kleinen Buch mit 30 Werbetafeln für The Adib Fricke Fine Art Cooperation. Diese benutzten eine Sprache des Marketings und haben sich mit Rhetorik und Bildhaftigkeit beschäftigt.
H.F.: Bei The Word Company gilt die Diskussion mehr der Frage: Kann man Wörter als Produkte anerkennen oder wahrnehmen?
A.F.: Ja, das war immer ein Aspekt der Arbeit. Als ich mit The Word Company begann, war das in der Wahrnehmung jedoch erstmal nebensächlich. Da hat zunächst die gesamte Vorgehensweise, die gesamte Arbeit zu Irritationen geführt, was ich für ein fruchtbares Element künstlerischer Praxis halte. Es ist mir willkommener Teil der Arbeit, in den bestehenden kommunikativen Infrastrukturen irritierend zu wirken. Heute werden Wörter eher als Produkte anerkannt. Das geht einher mit Entwicklungen in der Kunst wie im Marketing, seitdem immer mehr reine Namensagenturen entstehen und eine Diskussion um Marken, Markenrecht und Branding öffentlich geführt wird. Zum Teil wird ja sogar beklagt, es gäbe möglicherweise bald nicht mehr genug neue, schützbare Wortschöpfungen für die Bezeichnung von Angeboten.
H.F.: Das Problem bleibt trotzdem: Während in der Konzeptkunst bei Art & Language das Wort etwas über den Stand der Kommunikation aussagt, bleibt bei Dir das Wort völlig von seiner Funktion als Träger jeder Art von Kommunikation abgetrennt.
A.F.: Neben dem Wort als Wort schaffe ich dadurch, daß das Wort zum Gesprächsstoff wird, auch eine soziale Situation. Die Diskussion zusammen mit den TWC-Geschäftsbedingungen erzeugt einen ganz eigenen Diskurs über die Funktion oder die Nutzung von Wörtern in der Kunst und dem, was sie repräsentieren.
H.F.: Entscheidend sind die Anwendungsbereiche: So stellst Du Wörter in Verbindung mit Slogans her, oder Du setzt die Wörter strategisch ein, wenn eine Ausstellung etwa in Leipzig überall in der Stadt mit ONTOM annonciert wird.
A.F.: Es gibt Arbeiten, etwa 1997 für eine Messesituation der Galerie Barbara Weiss in Berlin, in denen ich direkt Slogans konzipiert habe, um mit diesen Wörter als Ware zu fokussieren, also die Wörter ins Zentrum zu setzen. Ansonsten mache ich aus Wörtern bestehende Einheiten, was Satzstücke oder auch ganze Sätze sind, die zwar teilweise die Rhetorik von Slogans verwenden, aber schließlich keine sind, weil sie den Betrachter ohne ein Produkt oder ein Objekt, für das sie stehen, zurücklassen. ONTOM sehe ich als Wort, das vorübergehend mit einem Produkt verknüpft wurde.
H.F.: Mit dem sich die in diesem Namen ausgestellte Kunst identifizierbar macht?
A.F.: Ja, im Sinne von ONTOM oder von QUOBO für die ifa-Ausstellung – da ist das Wort eher Trademark. Das einzelne Protonym ist aber nicht automatisch ein Slogan. Und auch als Marke funktionieren meine Wörter nur eingeschränkt. Trotz der ihnen eigenen Dynamik in einem solchen Anwendungsfall sind sie nicht produktvermittelnd.
H.F.: Aber bei Ausstellungstiteln wird immer auch Haltung transportiert – ➚ Sensation, Emotion. Das sind doch Labels, die bereits im Titel tragen, was sie visuell vermitteln sollen?
A.F.: Der Produktname gibt eine Vorstellung vor, ein Versprechen, das dann eben eingelöst wird – oder auch nicht. Mein Prozeß ist ein ganz anderer: Die Wörter gehen möglicherweise damit verbundenen Produkten voraus. Sensation weckt im Titel eine bestimmte Erwartung. Wenn ich ONTOM für etwas bereitstelle, erfüllt dieses Wort erstmal nichts. Bei meiner Recherche, die die Wörter im Entstehungsprozeß begleitet, suche ich nach einem Wort, das zwar einen guten Klang und eine gute Form hat und wort-ähnlich wirkt, aber geringe oder besser gar keine Assoziationen wachruft.
H.F.: Sind erfundene Wörter für die Werbung nicht ungeheuer reizvoll, wo doch die Zahl der Produkte die Zahl der Wörter, mit denen sie bezeichnet sind, längst schon weit übersteigt?
A.F.: Für einen kurzen Moment zumindest können sich die Wörter von The Word Company zwar als Produkt selbst behaupten, doch sie transportieren kein Produkt, sondern allenfalls ihren Nichtsinn. Ein Wort, das, bezogen auf Waren oder Dienstleistungen, für die es stehen soll, nichts verspricht, hat im Marketing aus meiner Sicht keine Chance. Das Wesentliche bei einem Markennamen ist das Image, das damit erzeugt wird. Aber es kann Ähnlichkeiten zwischen dem Nicht-Versprechen meiner Protonyme und dem Versprechen einer Marke geben: AVANZ zum Beispiel entstand 1994 zum Beginn von The Word Company, und seit 1999 gibt es Strom mit dem Namen :avanza. Ich unterstelle, bei der Namensgebung hatten Personen Assoziationen zu dem Produkt, das sie bezeichnen wollten. Der schnelle, vielleicht auch leichte Strom, dieses Versprechen spiegelt sich für RWE in :avanza wider. Das Unternehmen wirbt auch noch mit dem Slogan »... bei Strom kommt es auf die Herkunft an und auf einen guten Namen«. Hätte es den Begriff schon damals gegeben, hätte ich auf AVANZ sofort verzichtet. Umgekehrt kommt es natürlich immer auf den Betrachter an und auf dessen Assoziationen. Erst danach hat man vielleicht den Volltreffer der Bedeutungslosigkeit.
H.F.: Solche Volltreffer der Bedeutungslosigkeit haben etwas von der Suche des Dichters nach unverbrauchter Sprache. The Word Company versteht sich aber doch eher als Bestandteil von Massenkultur und Medienwelt?
A.F.: Es interessiert mich, ein Ideal zu formulieren, das kaum auszufüllen ist. Was den Gedanken um die Massenkultur ausmacht, ist die plakative Präsentation der Wörter. Meine Arbeit kommt vom Standpunkt der visuellen Gestaltung. Ich finde es langweilig, in einer Neun-Punkt-Serifen-Schrift diese Wörter auf einer Buchseite im laufenden Text zu lesen. Ich finde es spannender bei der Materialisierung der Wörter, über die Farbe, über die Gestaltung oder über die Fläche zu gehen. Das sind Techniken der Aufmerksamkeit. Es ist eine Sichtbarmachung der Arbeit. Zu Beginn war die Präsentation wesentlich reduzierter: fünf Zentimeter große Buchstaben mit Klebefolie auf der Wand, dazu zwei DIN A4-Blätter mit Zertifikat und Geschäftsbedingungen und ein Raum, der ganz leer war. Stempeldrucke in Zeitschriften, Lotterielose, in denen die Wörter zu finden waren ... ich habe verschiedene Formen erprobt. Über farbige Flyer, die ich zuerst 1996 für ein Projekt in der Galleri Wang in Oslo gemacht hatte, kam ich zu den Farbflächen, in denen die Wörter stehen. Diese bringe ich seit 1997 auf Wandgröße. Wichtig ist in all diesen Umsetzungen jedoch, daß die Wörter immer genug Raum haben, in dem sie sein können. Zu Beginn von The Word Company habe ich mich für eine bestimmte typografische Erscheinungsweise entschieden, die ich seitdem beibehalten habe. Dadurch ist mit der Zeit ein Corporate Design entstanden, das bei jeder weiteren Anwendung die vorigen Schritte bestätigt. Was nebenbei ein gewöhnliches Vorgehen im zeitgenössischen Marketing ist.
H.F.: Dann stehen die Wörter für Selbstreferentialität im Kunstbetrieb?
A.F.: Nein, sondern für The Word Company. Und um zu The Word Company zu gelangen, braucht man Wörter. Gleichzeitig ist die Arbeit dort stark, wo die Möglichkeiten sichtbar werden, die man mit diesen Wörtern verbinden kann.
H.F.: Wie wichtig ist bei dieser Vorgehensweise die Reproduzierbarkeit?
A.F.: Das ist wesentlich, weil mich die Distribution, das In-Umlauf-Bringen der Wörter in der Arbeit beschäftigt. Idealerweise sollten die Wörter möglichst oft in einer Vielzahl unterschiedlicher Distributionskanäle wiedergegeben werden. Das Schlüsselwort ist der Begriff Prozeß, aus dem heraus ich mit The Word Company operiere. Das einzelne Wort steht jeweils einen Augenblick da und ist dann mehr oder weniger interessant. Aber im gesamten entstehen eben Fragen wie: Wem gehören Wörter? Was hängt am Urheberrecht? Wie ist kreative Arbeit geschützt? Wie konstituiert sich Nichtsinn? Was geschieht bei der Nutzung? Bleibt ein Wort einfach nur ein Wort und nur das und nichts weiter? Und so weiter, und so weiter. Das ist der Moment, wo The Word Company anders als etwa Labels oder Vermarkter von Produkten in die Öffentlichkeit tritt.
H.F.: Wenn es die artifiziellen Wörter von The Word Company außerhalb von Sprache gibt, kann es dann auch Sprache außerhalb der Sprache geben?
A.F.: Die Wörter bewegen sich weiterhin innerhalb der Sprache. Nur da können sie zur Anwendung kommen. Auch ihr mögliches Nichtwortsein erlangen sie nur dadurch, daß es Sprache gibt. Allerdings sind sie innerhalb der Sprache noch im Rohbau, sie haben noch keine begriffliche Anwendung. Sie sind vorhanden, aber in diesem Sinne nur halb fertig. Die Protonyme sind offen und lassen damit jede Verknüpfung, auch die der Nichtverknüpfung zu.
Erschienen in: QUOBO, Austellungskatalog, herausgegeben von Ingrid Buschmann und Gabriele Knapstein für das ifa - Institut für Auslandsbeziehungen, Stuttgart/Berlin, 2000
© 2000 Harald Fricke, Adib Fricke und ifa.