SWOKS
SWOKS
Eine Wandarbeit mit SWOKS ergänzt durch einen Tisch und zwei Stühle bildete die Grundsituation für das Ausstellungsprojekt. Vier Wochen lang konnte das Publikum über das Internet-Auktionshaus eBay ein Interventionsrecht ersteigern: Die jeweils meistbietenden Teilnehmer veränderten die Ausstellungssituation.
»1st Public White Cube (PWC) – Arbeiten mit Publikumsbeteiligung«, Projektraum Galerie Matthias Kampl, Berlin 2001
1st Public White Cube – Pressemitteilung
Countdown.
Am 28. September wird mit der Eröffnung der Ausstellung »SWOKS« von Adib Fricke im 1st Public White Cube eine ungewöhnliche Serie von Auktionen beginnen. In ihnen werden nicht wie gewöhnlich Kunstgegenstände, sondern Veränderungsrechte erworben. Das Publikum kann das Recht ersteigern, die ausgestellte Kunst unwiderruflich zu verändern-nach eigenem Geschmack und nach eigenen Vorstellungen. Einige Regeln verhindern das Herausnehmen der Wände oder die Gefährdung des Publikums. Abgesehen davon ist jedoch ausdrücklich keine Beschränkung vorgesehen. Was der Betrachter wünscht, kann er verlangen und umsetzen. Voraussetzung ist nur, daß er seine Mitkonkurrenten überbietet und für seine Manipulationen bezahlt. Nicht der Geschmack der Veranstalter entscheidet über die Gestalt der Kunst, sondern der Geschäftsverlauf der Auktion.
Bis zu sechs Internet-Auktionen je Ausstellung.
Die Abfolge der Veränderungen ist als fortlaufender Prozeß geplant. Während jeder der vierwöchigen Ausstellungen finden bis zu sechs Auktionen statt. Drei Künstler haben zugesagt, sich an dem Verfahren zu beteiligen, in dessen Verlauf das ausgestellte Werk sich sehr weitgehend verändern könnte. Es finden also bis zu 18 Auktionen statt, eine Zahl, die jedoch nachfrageabhängig ist und veränderbar bleibt. Als Auktionsort dient das Internet, in dem mit der Auktionsplattform Ebay® ein jedermann zugänglicher, sehr erfolgreicher Versteigerungsmarktplatz zur Verfügung steht, der sich ohne Risiken benutzen läßt. Dieses Verfahren ermöglicht es nicht nur, den Einstiegspreis der Auktionen niedrig zu halten – das Mindestgebot für jede Veränderung beträgt lediglich 20 DM (10,23 EUR) –, sondern auch die Versteigerungen öffentlich abzuhalten. Jeder Computer mit Internetzugang ermöglicht den Blick auf unsere Dokumentationswebseiten (http://www.projektraum.org) und die Teilnahme an den Auktionen. Es genügt eine einfache Anmeldungsprozedur und die Eingabe des gebotenen Betrages auf der Ebay®-Seite.
Interaktion im realen Raum.
Während die Auktionen im Internet ausgetragen werden (Besucher ohne Internet-Zugang können während der Öffnungszeiten und nach Vereinbarung auch im Projektraum in der Auguststraße 35 bieten), finden die ersteigerten Eingriffe des Publikums im Galerieraum statt. Er verändert sich mit jedem Schritt weiter und wird so zum Gegenbild der Bildschirminteraktion: Die Interaktion hat Konsequenzen. Was wäre, wenn mit ausgestellter Kunst in wirklichem Sinne interaktiv umgegangen würde, war unsere Frage-und wann hätte eine »interaktiv« Installation Konsequenzen?
Adib Frickes Raum.
Der in Berlin lebende Künstler Adib Fricke wird zum Auftakt der Ausstellungsreihe eine Wortarbeit als Rauminstallation präsentieren. Fricke, der häufig im öffentlichen Raum arbeitet und dort in den letzten Jahren zahlreiche Wortneuschöpfungen (Protonyme) realisiert hat, kontrastiert in seiner Kunst regelmäßig Schein und Bedeutung, öffentlichen Eingriff und minimales Zeichenangebot, künstlerische Autonomie und professionelles Marketing. Frickes »The Word Company« tritt im Internet wie ein mittelständischer Direktvermarkter auf. Vermarktet werden aber keine Handelsgegenstände, sondern fachgerecht visualisierte Worte, die auf nichts als sich selbst verweisen. So wird die Kunst nicht nur mit den Mechanismen der Markenzeichenproduktion hinterfragt, sie dokumentiert auch auf ironische Weise ihre Rolle in der Öffentlichkeit-für den 1st Public White Cube eine ideale Ausgangssituation. In ihm wird Adib Fricke das Protonym »SWOKS« präsentieren, wandfüllend installiert, vor minimalem Mobiliar.
Publikumsbekenntnis.
Das Publikum wird die Wahl haben, wie es mit diesem Angebot umgehen will. Wird es das Konzept behutsam aufgreifen oder sich durch Destruktion artikulieren? Sucht es Kooperation oder Konflikt? Der 1st Public White Cube geht alle Risiken ein, auch den des Stillstands und der Banalität. Der Markt entscheidet auch sonst im Kunstsystem, der Endverbraucher wirkt hier nur direkter auf die Kunstobjekte ein. Er hat das Recht zu ihrer Deformation. Der1st Public White Cube will so auf eine Entwicklung reagieren, in deren Verlauf die großen Museumsausstellungen immer publikumswirksamer geworden sind. Quotenabhängig wie die Unterhaltungsmedien, haben sie häufig die spröde und sperrige Kunst zu farbigen Collagen verschmolzen. Nicht selten verschwand dahinter das künstlerische Konzept. Deformiert das Publikum anders als die Kuratoren, könnte man parodistisch fragen? Und erhält sich die Urheberschaft trotz aller Manipulation? Der 1st Public White Cube ist ein Experiment mit ungewissem Ausgang. Er ist auch ein Plädoyer für Risiken-und eine Chance für Sammler: In der letzten Auktion kurz vor Schluß der Ausstellung wird Frickes Raum mit allen erfolgten Manipulationen-bei erhöhtem Mindestgebot-zu erwerben sein.
–Joachim Blank, Gerrit Gohlke und Karl Heinz Jeron
29. Sep. 2001 - 27. Okt. 2001
2. Veränderung, Eine Pflanze (Festuca scoparia) im Raum, verschobene Möbel, anonym
3. Veränderung, 132 A4-Blätter mit willkürlichen Zahlen, die addiert werden, anonym
4. Veränderung, "Jeder Besucher erhält 50 Pfennige ...", Hilko Neupert
5. Veränderung, Gummibänder durchspannen den Raum und spiegeln SWOKS, Carina Randløv
6. Veränderung, Große, mit Luft gefüllte Müllsäcke füllen den Raum, Johannes Blank