How to Look at Words
Sigmaringer Str. 23
10713 Berlin
22. April bis 19. Mai 2023
Eröffnung 22. April ab 18h
Mi-Fr von 15-19 Uhr
und nach Vereinbarung
Zur Ausstellung:
Schreiben und was es da zu sehen gibt, hat seinen Platz im Programm der Galerie. Allerdings bisher in der Abteilung ‘Handschriftliches’, das Zeichnung ist. Bei Adib Frickes Arbeit geht es um das in Druckbuchstaben gesetzte Wort. Eine Befassung mit Schriftsprache, die einen vielfach variierten Wort-Bruch betreibt, ein buchstäbliches Aufbrechen, Durchkreuzen und zugleich Aufdrehen des Wortes. Frickes ‘HOW TO LOOK AT WORDS’ geht das Wort diesseits des kommunikativen Kontexts und der Signifikanz an.
Dazu passt schon sein aleatorisches Abschöpfen der Untiefen diverser Datenbanken, aber auch die direkte Delegation an den Zufallsgenerator, der Small-Talk zur Kunstwelt schreibt. Wohlgemerkt schreibt, nicht spricht. Frickes Arbeit am gedruckten Wort hat keine Stimme und wenn es einmal spricht, dann ist es eine maschinell generierte Stimme, die Geschriebenes liest, die Sprechen simuliert und der der Sinn des Gelesenen gänzlich und hörbar entgeht, so in der frühen Arbeit ‘Die Reise – Ein Gedicht in 42 Strophen’ aus dem Jahr 1988, die wir in der Gruppenausstellung ‘books’ gezeigt haben.
Vor allem hat Fricke eine prachtvolle Wortwelt geschaffen. Die zurückgenommene, minimalistische Typographie bleibt dabei durchaus an die geläufige Ästhetik der uns umgebenden Schrift- und Buchstabenwelt angelehnt, ist aber eigenwillig komponiert und tritt in kräftiger Farbigkeit auf. Selbst ein schlichtes Schwarz-Weiß besteht auf einer Leuchtkraft, die mit dem Wahrheitswert des „Schwarz-auf-Weiß“ nichts zu tun haben will. Frickes Wörter haben keinen Tauschwert. Sie wollen nicht zu einem Gegenüber gesprochen werden, sie wollen gelesen werden. Ein Lesen, das allerdings von der buchstäblichen Farbkraft nicht absehen kann - immer schon ein ‘LOOKING AT WORDS’.
Der Schriftlichkeit in Frickes Arbeit geht es um ein Spiel mit der Lesbarkeit des Worts. Ein Spiel mit der früh erlernten Kulturtechnik des Lesens und dieser unentrinnbaren Konditionierung, die nicht umhinkann, jede Abfolge von Buchstaben, und sei sie noch so bunt, als Wort lesen zu müssen. Auch dann, wenn, wie bei Frickes Protonymen, die er mit The Word Company entwickelt hat, dem Wort jeder Sinn abgeht und es bestenfalls zum Eigen- oder Markennamen taugt. Zugleich nimmt es unsere Konditionierung aufs Lesen mit so mancherlei Widrigkeiten der Buchstabenabfolge auf. Dabei bereitet es uns eine seltsam erleichterte Freude, dass sich Frickes bewusste, durch Schieben von Vokalen und Konsonanten oftmals unaussprechbaren Verschreiber sogleich erschließen. Ein gründlich gelerntes und erstaunlich promptes Entziffern, dem das Erlebnis der Reibung zwischen dem verunstalteten, zugleich farbig aufgebretzeltem Signifikanten und dem sich trotzdem sogleich einstellenden Signifikat stilles Glück bereitet.
Frickes Wörter und Worte haben ihr extravagantes Eigenleben, das sie in ihrer Materialität und Körperlichkeit mit uns Lesenden teilen. Ob Tafelbild, ob großformatiges Plakat, ob installative Arbeit im Raum, das gesetzte Wort bleibt unausgesprochen und präsentiert sich unserem Lesen mit farbkräftigem Auftritt. Selbst noch bei den Werkblöcken, die sich mit orthographisch und grammatikalisch korrekten Sätzen befassen, begegnet man dieser stillen Selbstbezogenheit von einer allerdings plakativen Präsenz, an der wir nicht vorbeilesen können. Und auf’s Lesen in Frickes Wortschatz folgt ein Nachhall, ein nachklingender Monolog, der sogar eine ungefähre Stimme hat: die eigene.
Helmut Bauer